Normativismus

Der Begriff des Normativismus bezeichnet ein rechtstheoretisches Konzept. Ihm zufolge ist das Recht als ein in sich geschlossenes System von Normen aufzufassen, dessen Geltung durch eine Grundnorm – und nicht etwa einen historischen Akt – begründet wird. Dem Normativismus ist der Rechtsrealismus entgegengesetzt, nach welchem alles Recht zuletzt nicht in einer Grundnorm, sondern einem tatsächlichen Ereignis (Machtergreifung) gründet und deshalb kein geschlossenes normatives System, sondern einen historisch entwicklungsoffenen (empirischen) Prozess darstellt.[1]

Der Normativismus kann als methodologischer Wegbereiter der Naturrechtslehren, die gleichermaßen eine von aller Historizität unabhängige Grundnormativität (Naturrecht) behaupten, gelten, während der Rechtsrealismus den Kern jedes eigentlich empiristischen Rechtsverständnisses darstellt.

Geistesgeschichtlich erscheint der Normativismus vor allem im europäischen Raum, während das angelsächsische Rechtsverständnis eine größere Nähe zum Realismus aufweist (s. Thomas Hobbes, David Hume, Common Law Theory, New Haven Approach).

Literatur

  • Carl Schmitt: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens. 3. Aufl., Duncker & Humblot, Berlin 2006. Unveränderte Ausgabe der 1934 in der Hanseatischen Verlagsanstalt Hamburg erschienenen ersten Auflage. Leseprobe.
  • Bror Clas Carlson: Strenger Normativismus. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 1956, S. 329–350.
  • Stanley L. Paulson: Der Normativismus Hans Kelsens. JZ 2006, S. 529–536.
  • Ernst-Wolfgang Böckenförde: Normativismus Historisches Wörterbuch der Philosophie online, abgerufen am 16. September 2020.
  • Ingeborg Puppe: Vom Naturalismus zum Normativismus, von der Systematik zur Topik. Der Niedergang der deutschen Strafrechtswissenschaft vom Allgemeinen Teil. ZIS 2020, S. 143–150.

Einzelnachweise

  1. Normativismus fremdwort.de, abgerufen am 16. September 2020.